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  • Richard Leipold

Warum eine Taxitariferhöhung im Frühjahr 2021 notwendig ist?

„Das geht jetzt gar nicht“,

sagen die einen. „Wir Taxifahrer haben doch wegen der Coronapandemie sowieso schon fast keine Kunden mehr. UBER unterbietet gnadenlos die Taxifahrpreise, Kunden reagieren nur noch auf das Argument „billig, billig, noch billiger“ und ausgerechnet jetzt wollt ihr die Preise erhöhen? Seid ihr wahnsinnig? Nur mit niedrigen Preisen lassen sich Kunden in die Taxen locken. Wenn das klappt, dann haben die Taxen mehr Umsatz, die Gewinne steigen und alles ist gut.“

Schön wäre es, aber

das ist leider nicht wahr. Wenn die fixen Kosten ansteigen, dann können Unternehmer sie mit einer Umsatzerhöhung ausgleichen. Allerdings funktioniert das nur, wenn die Kosten-Gewinnstruktur skalierbar ist. Wenn die variablen Kosten im Verhältnis zum gesamten Kostenblock niedrig sind, dann fallen die Kosten pro Einheit bei steigendem Umsatz und der Gewinn steigt. Bei einem hohen Anteil variabler Kosten, passiert genau das Gegenteil. Wenn sie ansteigen, dann treibt die Firma ein steigender Umsatz nur noch schneller in den Ruin.


Das hört sich sehr abstrakt an,

wie sieht denn die Praxis aus? Ein Taxibetrieb hat hohe variable, aber vergleichsweise niedrige feste Kosten. Bei der Firma UBER ist es genau umgekehrt. Die Programmierung der App, der Etat für Marketing, Werbung und Politikerbearbeitung und nicht zuletzt die Anwaltskosten machen einen richtig dicken Batzen aus. Ob dann tausend oder eine Million Kunden die App nutzen ist auf der Kostenseite egal. Jeder Kunde spült einen Prozentsatz der Fahreinnahmen in UBERs Kasse. Die Gewinne sind skalierbar, und das macht in Investoren geil. Bei den Taxiunternehmen und natürlich auch bei den UBER-Mietwagen ist es genau umgekehrt. Wenn sie Kunden befördern fallen Lohn- und Treibstoffkosten und natürlich auch die Provisionszahlung an die Vermittler an, ohne die sie keine Aufträge bekommen. Diese Kosten wachsen mit den Einnahmen mit, und wenn sie zu hoch werden, darf der Unternehmer sich frei entscheiden, ob er essen, oder Steuern bezahlen will. Die Entscheidung, ob er die Vermittlungskosten bezahlen möchte nimmt ihm UBER ab: Die Vermittlungsprovision wird gleich von den Einnahmen abgezogen.


Für die Berechnung der Höhe

einer Taxitariferhöhung gibt es nur zwei Möglichkeiten. Wir überlegen uns, wie hoch der faire Lohn für das Fahrpersonal sein soll, schreiben uns alle anderen Kosten eines Taxibetriebes auf und überprüfen, wie schnell unsere Taxen im Genehmigungsbereich fahren können, wenn sie sich an die Verkehrsregeln halten. Daraus ergibt sich, wie hoch der Preis pro Kilometer sein muss, wenn der Unternehmer gesetzestreu wirtschaften will. Zwei Fakten sollten allen „Tarifschmieden“ klar sein. Keine Taxe kann ununterbrochen mit Fahrgästen unterwegs sein. Das vermindert die Menge der Kilometer, für die kassiert werden kann. Schließlich können wir keinem Kunden zumuten für etwas zu bezahlen, was wir ihm gar nicht liefern. Und auch der Unternehmer muss überleben. Er muss essen und seine Miete und Krankenkasse bezahlen. Weil das Wort „Gewinn“ in bestimmten Kreisen einen derart abscheulichen Beigeschmack hat, wird jetzt gerne vom „Unternehmerlohn“ gesprochen. Wir haben noch eine zweite Möglichkeit. Wenn wir davon ausgehen, dass die letzte Fahrpreisfestsetzung sachkundig und ordnungsgemäß gemacht wurde, beziffern wir den Anstieg der Kosten und erhöhen den Taxifahrpreis um diesen Wert. Das ist eine einfache Angelegenheit und eigentlich eine Aufgabe, die der Gesetzgeber der Genehmigungsbehörde vorschreibt.




Wo steht das denn?

Die rechtlichen Grundlagen hierfür finden sich im § 39 (2) PbefG und lassen sich folgendermaßen umschreiben: „Wenn … eine Tarifänderung ansteht, hat die zuständige Behörde sich an bestimmte Regularien zu halten, die im PBefG niedergelegt sind:

  • Die Wirtschaftlichkeit, unter der der Taxiverkehr vor Ort abgewickelt wird, ist zu prüfen.

  • Die Interessen der Allgemeinheit müssen beachtet werden.

Im Grunde läuft alles zusammen darauf hinaus, daß für die zuständige Behörde eine "Fürsorgepflicht" gegenüber dem Gewerbe besteht. Das Betreiben von Taxiverkehr nach eigenen unabhängigen, unternehmerischen Überlegungen ist in Deutschland nicht möglich.“


In Berlin

klappt das seit einiger Zeit nicht mehr ordentlich. Manche vermuten in den Räumlichkeiten von SenUmVuK habe sich ein „Reich der Finsternis“ breitgemacht, bevölkert von abscheulichen Kreaturen, die sich von internationalen Konzernen schmieren lassen und deren Hauptinteresse in der Zerstörung des Taxigewerbes bestehe. Das ist natürlich Quatsch. So wichtig ist den Beamten das Taxigewerbe gar nicht. Andere glauben Königin Regine habe eine Art „Narrenkönigreich“ errichtet, in dem nur Menschen befördert werden, die ganz bestimmt keine Ahnung von ihrer eigentlichen Aufgabe haben. Dafür würde die Aussage eines Referatsleiters sprechen, der für die letzte Tariferhöhung ein externes Gutachten zu Lasten der Steuerzahler beauftragte, weil „ … der Behörde die Kompetenz zur Beurteilung von Fragen des Taxitarifes fehle…“ Wer die Beamten kennt, weiß, dass dies natürlich Unsinn ist. Sie sind intelligent und qualifiziert. Die Umsetzung von Sachkenntnis in notwendiges Handeln scheint aber nicht nur in der Verkehrsbehörde dem eigenen Aufstieg nicht mehr förderlich zu sein. Ich hoffe nicht, dass sich das „Mikadoprinzip“ vollständig durchsetzt. Es lautet: Wer sich zuerst bewegt, verliert. Böse Zungen behaupten zwar, es sei eins der wichtigsten Grundsätze des deutschen Beamtenwesens. Das kann aber nicht stimmen. Schließlich wurde die 9. Verordnung zur Taxitarifveränderung in Berlin in Rekordzeit durchgepeitscht.


Die Eingangsfrage lautet: Warum brauchen wir eine Taxitariferhöhung?



Die Antwort ist einfach und besteht aus drei Elementen:

  • Ab dem 01.01. 2021 verordnet unsere Regierung allen Betrieben, also auch dem Taxigewerbe eine Mindestlohnerhöhung. Im Taxigewerbe erhöht dies die variablen Kosten und muss an die Kunden weitergegeben werden, weil die Unternehmen sonst nicht in der Lage sind, gesetzeskonforme, geschweige denn gute Löhne zu bezahlen.

  • Die Regierung führt zum 01.01.2021 eine CO2 Steuer ein. Wie immer man politisch dazu steht, eins ist klar: Das erhöht die Treibstoffkosten. Auch diese Erhöhung muss an die Verbraucher weitergegeben werden.

  • Die Auftragsmakler (Plattformen und Funkgesellschaften) haben ihre Vermittlungspreise zum Teil drastisch erhöht. Auch das sind variable Kosten für die Taxibetriebe und müssen über eine Preisanhebung an die Kunden weiter gegeben werden.

Die Berliner Taxivereinigung e.V. wird im Lauf der nächsten zwei Wochen mit diesen Begründungen einen Taxitarifantrag bei SenUmVuK stellen. Wenn die Genehmigungsbehörde sich diesem Erhöhungsantrag verweigert, oder ihn auf bewährte Art verschleppt, dann verbleiben den Unternehmen auch nach Eindämmung der Coronapandemie eine legale und eine illegale Lösung. Wer sich legal verhalten will, der muss alle angestellten sozialversicherungspflichtigen Fahrer entlassen, weil er sonst in den Konkurs rauscht, wenn er gesetzeskonforme Lohnzahlungen leistet. Übrig bleiben selbstfahrende Unternehmer, die die Lizenz zur schrankenlosen Selbstausbeutung haben. Es gibt für die Unternehmen dann noch die Möglichkeit die Gesetze zu brechen und die Vorschriften zu umgehen. Das ermöglicht dem braven Bürger billig Taxi zu fahren und gleichzeitig die Nase über kriminelle Taxiunternehmer zu rümpfen.


Es gibt mehr wahlberechtigte Bürger als Taxifahrer in Berlin. Ich hoffe, die Berliner Politik und Verwaltung sieht es nicht als „Win-win-Situation“ für sich selbst, wenn sie das Taxigewerbe vernichtet um den Bürgern „billige“ Beförderungsmöglichkeiten zu schaffen .

Richard Leipold BTV



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